Staat und Alkohol: "Feindlicher Übernahmeversuch"

· 23.03.2000

Werberat - Das Gremium berichtet über aktuelle Brennpunkte und Arbeitsergebnisse '99

Eine klare Absage richtet der Werberat an den Plan von Bundesgesundheitsminsterin Andrea Fischer (Die Grünen), die Werberatsregeln in Zusammenhang mit Werbung für alkoholische Getränke drakonisch zu verschärfen. "Getränkeindustrie und die Werbung der Produzenten werden in unzulässiger und unqualifizierter Weise dämonisiert."

Wenn die Wirtschaft den Plänen der Ministerin nachgäbe, beispielsweise die TV- und Hörfunkwerbung einschließlich Sponsoring für diesen Warenbereich in der Zeit zwischen 6 Uhr früh bis 22 Uhr auszuschalten und jegliche Berührung des Markenwettbewerbs mit Sportveranstaltungen zu unterbinden, dann würde an die Stelle angemessener Werbeselbstdisziplin ein behördlich gelenktes Bevormundungssystem gesetzt.
Die bisherigen Werberegeln für alkoholische Getränke reichten vor dem Hintergrund seit Jahren stetig sinkender Konsumzahlen in der Bevölkerung und insbesondere auch bei Jugendlichen aus. Sie enthalten vor allem den Verzicht auf Darstellungen des übermäßigen oder missbräuchlichen Konsums alkoholischer Getränke, die Aufforderung an Jugendliche zum Alkoholtrinken (insbesondere auch von Leistungssportlern), positive krankheitsbezogene Aussagen und Darstellungen von Problemlösungen durch Alkohol. Ebenso müssen die Anbieter in ihrer Werbung Aspekte der Verkehrssicherheit berücksichtigen und dürfen Enthaltsamkeit in Werbedarstellungen nicht abwerten.

Schrader wies außerdem auf den fehlenden Zusammenhang zwischen Alkoholmenge und Werbung hin. Dem sinkenden Alkoholkonsum steht eine Verdoppelung der Ausgaben für Werbung in der vergangenen Dekade gegenüber. Ebenso hätte präzise wissenschaftliche Durchdringung der Ursachen des Alkoholmissbrauchs nachgewiesen, dass Werbung allenfalls ein politischer Sündenbock für Missbrauch von Alkohol durch Jugendliche sei, in keinem Fall aber deren Ursache.

Der versuchte Eingriff des Bundesgesundheitsministeriums und damit des Staates in die selbstdisziplinären Werberegeln der Wirtschaft sei eine Art feindlicher Übernahmeversuch. Dieses Vorgehen enthebe die Politik des kritischen Gesetzgebungsverfahrens und damit der erforderlichen Rechtfertigung vor Bundestag und Bundesrat.

Die Selbstdisziplin der Wirtschaft orientiere sich an der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Es müsse beispielsweise gesundheitspolitsch Sinn machen, die Werbeeinnahmen der Medien auszutrocknen, die Wettbewerbsfähigkeit vor allem der mittelständischen Industrie in rückläufigen Märkten zu torpedieren, die Finanzierung des Breitensports in Deutschland zu schmälern und die Informationen für die Konsumenten abzubauen. "Werbeverbote für alkoholische Getränke würden solche Schäden

anrichten, aber gesundheitspolitisch Augenwischerei sein:

Sie bewirken aber auch gar nichts an der Beseitigung der Ursachen von Alkoholmissbrauch", sagte der Werberatsvorsitzende.

Welche Motive Frau Ministerin Fischer zur Strangulierung der Markenwerbung für alkoholische Getränke bewegen, lasse sich nur vermuten. Das Ministerium verfolge einerseits eine populistische Politik der Liberalisierung illegalen Drogenkonsums und brauche andererseits offenkundig dazu eine Diffamierung der Alkoholproduktion und des Markenwettbewerbs mit Hilfe der Werbung: Wenn das Alkoholproblem in der Öffentlichkeit größer dargestellt werde als es ist, ließen sich illegale Drogen möglicherweise freizügiger behandeln. Dieser politische Ansatz sei nicht Sache des Werberats. "Wir werden uns aber vom Staat nicht in die Selbstdisziplin in einer solchen Form hineinreden lassen. Wir wollen nicht zu einer verdeckten Zensurbehörde des Staates degradiert werden", so Schrader.


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